Augenscheinlich deutsche Webshops fordern ihre Kund:innen auf, die Retouren nach China zu senden. Das ist teuer. Die Verbraucher:innen fühlen sich zurecht abgezockt, wie David G, der sich an die Verbraucherzentrale Thüringen wandte. Die Verbraucherschützer warnen: Diese Anbieter hebeln das Recht auf Widerruf aus.
Der Webshop ist stilvoll in Schwarz gehalten. Eine Dame zieht sich im Schneetreiben die Kapuze über das braune Haar. Ein Geschäftsmann greift lächelnd in die Innentasche seines Mantels. Über den Fotos steht „Herrmann Modehaus Berlin“. Die Internetadresse des Shops endet auf .de. Ein Ausstatter mit Anspruch und Tradition aus der Hauptstadt? Fehlanzeige! „Herrmann Modehaus Berlin“ verlangt Retouren nach China.
Auf den ersten Blick ist das für Verbraucher:innen nicht zu erkennen. Leider auch nicht auf den zweiten Blick, denn dem Webshop fehlt das Impressum. In der Annahme, es handle sich um einen heimischen Anbieter, bestellte David G. zwei Hosen im Wert von rund 70 Euro. Als er einige Tage später die Mitteilung erhielt, dass seine Ware nun aus China zugestellt werde, wurde ihm mulmig. Nach zwei Wochen Lieferzeit trat das Befürchtete ein: Die Qualität der Hosen war viel schlechter als im Shop dargestellt. Für die Retoure nach China sollte David G. mehr als 40 Euro Versandkosten bezahlen. Er wandte sich an die Verbraucherzentrale Thüringen.
Sein Fall ist bei weitem kein Einzelfall in der Beratung der Verbraucherzentrale. „Ich halte diese Entwicklung für mehr als bedenklich“, betont Dr. Ralph Walther, Vorstand der Verbraucherzentrale Thüringen. „Anbieter aus Fernost geben vor, ein heimisches Unternehmen zu sein. Die Retoure soll dann nach Asien gesendet werden. Damit hebeln die Shops das Widerrufsrecht aus. Bezahlen müssen für diese Masche Verbraucher:innen. Das schadet nicht nur den Betroffenen, sondern auch insgesamt dem Vertrauen in einen seriösen Onlinehandel.“
Grundsätzlich besteht im Onlinehandel das Recht, Waren innerhalb von 14 Tagen zurückzugeben und sein Geld zurückzubekommen. Das gilt auch bei Waren, die aus dem außereuropäischen Ausland in die EU versendet werden. Kostet die Retoure aber völlig unerwartet fast so viel wie die Ware selbst – oder sogar mehr – kann von einem fairen Rücktritt vom Kaufvertrag nicht mehr die Rede sein.
„Dieser Abzocke muss mehr entgegengesetzt werden“, fordert Dr. Ralph Walther. „Verbraucher:innen müssen klar erkennen können, dass sie nicht in Deutschland oder der EU bestellen.“
David G. entschied sich dafür, die beiden minderwertigen Hosen zu behalten. „Lehrgeld“, sagt er. Abgezockt fühle er sich trotzdem.
In dieser Woche wirbt das „Modehaus Herrmann Berlin“ mit 80-prozentigen Rabatten. „Wir schließen. Der Ausverkauf endet heute!“, heißt es auf der Internetseite nun bereits seit Tagen – ein Musterbeispiel für Kundenfang. In seinen „Datenschutzbestimmungen“ heißt der Anbieter bereits jetzt einmal „Modehaus Schmidt“, ein anderes Mal „Vivara“.
Was fordert die Verbraucherzentrale von der Politik?
Dr. Ralph Walther: „Verbraucher:innen müssen klar und deutlich erkennen können, wo ein Anbieter seinen Sitz hat. Der Digital Services Act (DSA) und, als nationale Ergänzung, das Digitale Dienste Gesetz (DDG) verpflichten Onlinedienste bereits zur Transparenz. Unter anderem gilt die Impressumspflicht. Ein Verstoß gegen diese Regeln muss Folgen haben. Die Behörden, die mit der Marktbereinigung beauftragt sind, müssen schnell stärker werden, damit unseriöse Anbieter nicht mehr bei Suchmaschinen oder auf Plattformen auftauchen.“ Die Bundesnetzagentur ist dabei, eine Struktur zu schaffen, der Verstöße gemeldet werden können.
Abgezockt! So hilft die Verbraucherzentrale
Abgezockt beim Online-Shopping – dieses Thema rangiert unter den häufigsten Kostenfallen für Verbraucher:innen in Thüringen. Die Beratungsstellen der Verbraucherzentrale helfen, ungerechtfertigte Forderungen abzuwenden.
Ein Fall aus Erfurt: Die Verbraucherzentrale erreichte, dass ein Inkasso-Büro von einer Verbraucherin abließ. Sie hatte online zwei Haarstyling-Geräte bestellt. Erst auf den zweiten Blick war der Verbraucherin der Shop dubios vorgekommen. Sie widerrief den Kaufvertrag sofort. Dennoch wurden ihr die Geräte zugestellt. Die Rechnungssumme wurde vehement eingefordert. Besonders übel: Beide Produkte trugen ein offensichtlich gefälschtes CE-Kennzeichen. Durch die Unterstützung der Verbraucherzentrale musste die Verbraucherin nicht für die Ware bezahlen.
In einem anderen Fall bestellte eine Verbraucherin in einem Shop aus Fernost vier Kleider. Sie erhielt acht, alle zu klein und minderwertig. Was die Kundin jedoch nicht erhielt: eine Adresse und ein Etikett zur Rücksendung. Erst nach Eingreifen der Verbraucherzentrale ließ das inzwischen zweite Inkassounternehmen von der Verbraucherin ab. Für die acht minderwertigen Kleider musste sie rechtmäßig nichts bezahlen.
Thüringenweites Termintelefon der Verbraucherzentrale: 0361 555 14 0
Termine können auch über die Internetseite der Verbraucherzentrale vereinbart werden: www.vzth.de.
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