Liebe Radsportfreunde,
Am 17. März 2025 hat der Organisationsstab der 37. LOTTO Thüringen Ladies Tour das für 2025 geplante und vorbereitete Rennen in einer Mitteilung an alle Beteiligten offiziell abgesagt und angekündigt, dass die unabwendbaren Gründe für diese harte Entscheidung nach einer gründlichen Auswertung der Situation für die Öffentlichkeit dargelegt werden.
Das nachfolgende Statement dokumentiert den Vorbereitungsstand des Rennens zum Zeitpunkt der Absage und skizziert die Vorgänge, die zu dieser Entscheidung führten.
Die LOTTO Thüringen Ladies Tour 2025 (LTLT) sollte in knapp drei Monaten am 17.06.2025 in Leinefelde-Worbis starten, die Auftaktetappe mit einem 18% steilen Zielanstieg zum Schloss Scharfenstein führen und das Rennen weitere 5 Etappen bis zum 22.6.2025 dauern.
Der LTLT-Termin war seit Juli 2024 im Terminkalender der Weltradsport-föderation UCI verankert. Die Besetzungsliste der Rundfahrt, die schon seit Januar feststand, umfasste 9 Teams der Women World Tour (höchste UCI-Kategorie im Frauen Radsport), mehrere Pro Conti Teams (zweithöchste Kategorie) und 3 deutsche Teams, einschließlich der Nationalmannschaft.
An der Startlinie sollten drei deutschen Olympiasiegerinnen von Tokyo2020 stehen: Lisa Klein, Franziska Brauße und Mieke Kröger. Lisa Klein lernte und trainierte an der Sportschule in Erfurt und verdankt ihre Erfolge auch dem Thüringer Radsport.
Die LTLT ist die älteste Rundfahrt der Welt im Frauenradsport. Sie wurde 1986 als Internationale Thüringen Rundfahrt der Frauen aus der Taufe gehoben, gewann stetig an sportlicher Bedeutung und galt bis zur Austragung 2024 als eines der bestorganisierten Events im femininen Bereich. Diese Qualität verdankt sie vor allem der Tour Direktorin Vera Hohlfeld, die es mit ihrem Team geschafft hat, die Tour stetig weiterzuentwickeln und als feste Größe im UCI-Kalender zu etablieren. Stets waren Olympiasiegerinnen, Welt- und Europameisterinnen am Start, Nationalteams aus Europa und Übersee als Stammgäste dabei und vor jeder Austragung bewarben sich mehr Teams für die Teilnahme als für das Rennen zugelassen werden konnten.
Ab 2021 organisierte der Veranstalter Live-Fernsehübertragungen von der LTLT, die der MDR seither in täglichen Sonderprogrammen ausstrahlte und sogar als Leuchtturmprojekt mit höchster Priorität für den Freistaat Thüringen bezeichnete.
Auch das internationale Medieninteresse an der Tour wuchs, der US-Medienkonzern Discovery Channel mit seinen Sendern (wie z.B. Eurosport) sendete seit 2022 stundenlange Live-Übertragungen.
Unter Ministerpräsident Bodo Ramelow erkannte der Freistaat Thüringen das Werbe- Potential der Rundfahrt. Vor 2 Jahren kam es zu einer sehr frucht-baren Zusammenarbeit für beide Seiten. Die Rundfahrt nahm in ihre Medienkommunikation Sinnbilder auf wie die Burg (Historie Thüringens), den Wappenlöwen und den Baum (Thüringer Wald und Rennsteig). Ein spezielles Wertungstrikot des Freistaates Thüringen wurde eingeführt und die Kernmarken Thüringens auffälliger und werbewirksamer denn je über die
Fernsehbilder sowie auf Fotos an nationale und internationale Medien-vertreter in alle Welt gesendet. Diese Kernmarken des Frauenradsports und des Freistaates Thüringen verknüpften die Organisatoren mit zugkräftigen Schlagwörtern, die einen deutlichen Anstieg im Google Ranking zur Folge hatte.
Dieses professionelles Marketingkonzept hat das Ansehen und die Sichtbar-keit des Freistaates Thüringen gefördert. Die Fernsehübertragungen sowie Fotos von der LTLT illustrierten Städte, Gemeinden, Landschaften, touristische Brennpunkte und Besucher an der Strecke und schufen einen medialen Mehrwert für Thüringen. Eine bessere Bühne für die Außendar-stellung eines Bundeslands kann man sich kaum wünschen.
Kurzum: Wir haben ein hochprofessionelles Marketingkonzept umgesetzt, das die Sichtbarkeit und das Ansehen des Freistaats Thüringen maßgeblich gestärkt hat.
Wir Organisatoren verstanden und behandelten die finanzielle Unterstützung des Freistaats Thüringen für die Durchführung und Darstellung der LOTTO Thüringen Ladies Tour nicht als eine Subventionierung mit Fördermitteln, sondern als einen Gegenwert für die mediale Promotion des Freistaats Thüringen, dessen Image als Tourismus-Ziel davon profitiert hat.
Nachdem die Unterstützung durch die alte Landesregierung für 2025 zugesichert war, arbeiteten wir bereits seit Mitte letzten Jahres motiviert und fleißig an der kommenden LTLT-Auflage vom 17.- 22.06.2025.
Seit Beginn des Kalenderjahres bemühten wir uns um einen persönlichen Kontakt zur neuen Landesregierung. Unsere anfänglichen Fragen und späteren Hilferufe wurden seitens der Thüringer
Staatskanzlei ignoriert.
09.01.2025 - erste telefonische Kontaktaufnahme mit der Thüringer Staatskanzlei (Sportministerium) mit der Bitte um eine kurzfristige Terminvereinbarung, die telefonisch zugesagt wurde. Zusätzlich eine E-Mail
an die Staatskanzlei zum gleichen Thema. Eine Woche lang keine Antwort.
Auf eine erneute Erinnerung erhielt die LTLT-Organisation folgende Antwort: „Wir haben den Vorgang zur Bewertung in das zuständige Fachreferat gegeben und melden uns nach Prüfung und Bewertung (…)“
16.01.2025 - wieder eine E-Mail an den Minister mit der dringenden Bitte, um einen Gesprächstermin. Es erfolgte ein Anruf mit der sinngemäßen Bitte, von weiteren Kontaktaufnahmen abzusehen – man würde sich zu gegebener Zeit bei uns melden.
27.01.2025 - erneuter Versuch der Kontaktaufnahme - diesmal über Dritte - mit Minister Gruhner, um zu einer Terminvereinbarung zu kommen. Die Antwort des Ministers, er wird auf uns zukommen.
Es gab keine Möglichkeit dem Minister für Bundes- und Europaangelegen-heiten, Sport Ehrenamt und Chef der Staatskanzlei unsere besondere Situation darzulegen. Die Zeit drängte, wir waren zu diesem Zeitpunkt
bereits gezwungen, in die heiße Phase der Tour Planung überzugehen und erste wichtige Investitionen zu tätigen.
Anfang Februar - Einladung in die Staatskanzlei zum 12.02.2025
12.02.2025 - zu Beginn des Termins lässt sich der Minister Gruhner entschul-digen und nimmt an dem Gespräch nicht teil.
Der Termin war allerdings nicht ergiebig. Wir erhielten die Auskunft, dass der Freistaat keine finanziellen Mittel bereitstellen könne. Sehr ernüchternd.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte ein wirkliches Interesse an der Tour erfolgen können und müssen. Dann wäre noch ein gemeinsamer Rettungsplan möglich gewesen.
In den folgenden drei Wochen - mehrfache Versuche der Organisatoren der LTLT zur Kontaktaufnahme (über verschiedene Quellen) mit der Staatskanzlei, um von Herrn Gruhner oder Herrn Voigt eine Entscheidung zu bekommen, ob die LTLT den mit der Vorgänger-Regierung vereinbarten Zuschuss bekommt oder nicht. Keine Reaktion, nur das Gerücht hinter vorgehaltener Hand, dass der Freistaat dafür kein Geld zur Verfügung hat und das von der alten Landes-regierung bereits für das Event eingestellte Budget im vorläufigen Haushalt nicht zur Verfügung steht.
07.03.2025 – die Organisatoren waren gezwungen die Mitarbeiter und Partner über den Stand zu informieren und gemeinsam mit dem MDR als langjährigen und wichtigsten Medienpartner eine Pressemitteilung herauszugeben mit der Überschrift: „Der Tour droht die Absage“.
10.03.2025 - im Briefkasten der LTLT-Organisation landet die schriftliche Absage der Staatskanzlei, bis heute die einzige verbindliche Aussage in schriftlicher Form.
Der MDR sendet den Bericht, dass der 37. Auflage der LTLT die Absage droht, und es aus den verschiedensten Richtungen Kritik an der Entscheidung der Staatskanzlei gebe.
11.03.2025 – Ein Anruf aus der Thüringer Staatskanzlei, ein Mitarbeiter des Sportministers signalisiert den LTLT-Organisatoren Interesse an Gesprächen, aber die Angebote - noch dazu in Möglichkeitsform - lagen weit unter dem Notwendigen.
12.03.2025 – Onlinemeeting mit Minister Gruhner - Eine Variante, die vorge-schlagen wurde, ist für uns nicht akzeptabel: Fördermittel aus der dem „Ehrenamtsgesetz“ bereitzustellen und der LTLT zur Verfügung zu stellen. Wir wollen kein Geld, das vielleicht anderen Ehrenämtlern abgezweigt wird.
Der Zeitpunkt war gekommen, an dem auch der Rückstau an Arbeit – selbst wenn die im Vorjahr zugesicherten 200.000,- € noch ausgezahlt würden, kaum noch aufzuholen war.
17.03.2025 - offizielle Absage der 37. Auflage der LTLT. An diesem Tag bestand die letzte Möglichkeit, Hotels für die Teams, Fahrerinnen, UCI-Kommäre und Mitarbeiter ohne Stornierungskosten abzusagen. Zudem wären erste größere verbindliche Summen zu zahlen gewesen.
Ministerpräsident Voigt behauptete am 18.03.2025 in der MDR-Sendung „Sport im Osten“, „Eine privatwirtschaftlich organisierte Tour könne nicht zu fast 80 Prozent aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden“. Diese Aussage ist falsch und empfanden alle Beteiligten an der Organisation der LTLT als eine Brüskierung und einen direkten Schlag ins Gesicht.
Nun soll Hohlfeld und ihr Team ein untragbares Risiko eingehen und nicht nur gleich viel, sondern noch mehr leisten – um den Rückstau aufzuholen und eine sichere Rundfahrt nach UCI-Vorgaben durchzuführen, inklusive aller Auflagen von Land, Städten und Gemeinden? Nur, weil man plötzlich, am 12.03.2025, erkannt hat, wie bedeutsam die LTLT ist?
Vielleicht lag das Umdenken der Thüringer Staatskanzlei daran, dass die Absage weltweit Aufsehen erregte – von Dänemark bis Mexiko, von Großbritannien bis Australien. Das unterstreicht den internationalen Stellenwert und das Ansehen dieser ältesten Profi-Frauenradrundfahrt der Welt
Diese Vertrauensbasis wurde durch das Agieren der Thüringer Staatskanzlei komplett zerstört. Unsere langjährige Arbeit wurde respektlos mit Füßen getreten. Was letztendlich der Dolchstoß für die 37. Auflage der LOTTO Thüringen Ladies Tour war.
Es bleibt festzuhalten, dass seitens der Staatskanzlei sich niemand auch nur im Geringsten mit der Tour und ihrem Wert für den Freistaat Thüringen, sowie mit der Historie der internationalen Frauenrundfahrt durch Thüringen seit 1986, beschäftigt hat.
Die Thüringer Staatskanzlei, mit ihrem Ministerpräsidenten Mario Voigt (CDU) und dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Sport Ehrenamt und Chef der Staatskanzlei Stefan Gruhner (CDU) haben sich damit als nicht verlässliche Partner für eine Zusammenarbeit mit der LTLT erwiesen, denen es an einem respektvollen, fairen und vertrauensvollen Umgang mit der LTLT fehlt.
In der Kürze der Zeit war kein potenziell vergleichbarer Partner zu finden. Auch der Umbau des Marketingkonzeptes, zugeschnitten auf einen neuen Sponsor, ist in drei Monaten unmöglich zu leisten.
Unter diesen Bedingungen ist die Durchführung nicht mehr möglich.
Wir haben unermüdlich Städte, Partner und Sponsoren angesprochen, Unternehmen direkt kontaktiert und ihnen maßgeschneiderte Konzepte vorgelegt – besonders in den letzten vier Jahren mit wachsender Fernseh-präsenz.
Doch Thüringen ist wirtschaftlich deutlich schwächer aufgestellt als Bayern oder Baden-Württemberg. Trotzdem gelang es uns, immer wieder neuer Partner wie z. Bsp. Für 2025 als neuen großen Hauptsponsor
die AOKPLUS zu gewinnen. Auch für die LTLT2026 gab es bereits fruchtbare Gespräche mit neuen größeren interessierten Partnern.
Der Frauenradsport ist und bleibt leider in Deutschland eine Randsportart. Deshalb braucht es Geduld, Überzeugungskraft und viel Einsatz. Die Zahl der Radsportveranstaltungen in Deutschland ist gering – und die finanziellen Zuwendungen sind nicht vergleichbar mit denen im Fußball oder Wintersport. Das erwarten wir auch nicht.
Aber: Jedes Radrennen der Welt, ist dauerhaft auf Unterstützung von Land, Kommunen, Städten und Regionen angewiesen. Das ist nicht ungewöhnlich – selbst die Tour de France (ASO) lässt sich jeden Startund Zielort gut bezahlen.
Der Vorwurf, wir hätten uns nicht genug um Sponsoren bemüht, ist schlicht falsch.
Wir verstehen die aktuelle Haushaltslage. Und wir wissen: Der Freistaat ist nicht verpflichtet, die LTLT zu fördern. Aber eine ehrliche und rechtzeitige Kommunikation auf Augenhöhe hätte viel geholfen.
Für die Zukunft wünschen wir uns eine Frauenrundfahrt im Rahmen der Deutschland Tour – vielleicht mit Lidl als neuem Sponsor. Und wir hoffen, dass der Freistaat Thüringen dann dem Frauenradsport eine faire Chance gibt.
Hohlfeld und ihr Team haben über all die Jahre auf einen erheblichen Teil des Gehaltes verzichtet, das ihrer geleisteten Arbeit angemessen gewesen wäre, weil sie an das Potential der Rundfahrt und den Frauenradsport geglaubt haben!
Diese Leidenschaft wurde nicht belohnt und der (Rad)Sport im Freistaat Thüringen hat aus unserer Sicht schweren Schaden erlitten. Die LTLT war zudem das wichtigste Standbein des Frauenradsports in Deutschland.
Radsportlerinnen und Betreuer sowie Radsportfans aus allen Teilen der Welt, Anhänger sämtlicher Kulturkreise und Religionen waren bei uns immer herzlich Willkommen. Der internationale Frauenradsport in Thüringen stand für länder-, religions- und kulturübergreifende Freundschaften, die LOTTO Thüringen Ladies Tour für Vielfalt und Toleranz. Um genau diese Toleranz bitten wir bei Kommentaren zu diesem Statement.
Die LTLT erfordert jedes Jahr immense Kraft. Für die Vorbereitung, Organisation und Durchführung einer Veranstaltung auf diesem hohen Niveau – bei gleichzeitig effizientestem Umgang mit den finanziellen
Mitteln – benötigt es eine große persönliche Risikobereitschaft. In den letzten drei bis vier Monaten der intensiven Vorbereitungsphase verlangt es nicht nur von mir, sondern von uns allen Einsatz in
übermenschlichem Maß und maximale Leidenschaft.
Die Vernachlässigung aller persönlichen Interessen und das Zurückstellen des Privatlebens geschehen häufig, und das oft auch zulasten der Gesundheit.
Am Ende reichte die Kraft einfach nicht mehr aus, um den Ministern in der Staatskanzlei gegenüberzutreten und weiterhin, wie auf einem Basar, um jeden Cent zu betteln.
Besonders schmerzhaft ist, dass auf der einen Seite Mitarbeiter der LTLT bereit waren, ihre Hotelkosten selbst zu übernehmen und sogar auf ihr Tagegeld zu verzichten, nur um die Tour am Leben zu erhalten.
Auf der anderen Seite forderte der Ministerpräsident in einer Presse-mitteilung: „Die Ladies Tour muss ihre Finanzierung hinterfragen“ und „Der Ministerpräsident erwartet vom Veranstalter ein Umdenken.“ In
diesem Zusammenhang war der Vergleich mit dem Fußball in Thüringen (Regionalliga) und der Weltspitze der LTLT der Gipfel der Demütigung und hat mir schmerzlich unseren Stellenwert hier in Thüringen vor Augen geführt.
Der bloße Gedanke daran ließ mir die Tränen in die Augen steigen, was es mir unmöglich machte, unter diesen Voraussetzungen weiter mit der Staatskanzlei zu verhandeln.
Ich bin mir bewusst, dass nicht jeder meine Entscheidung verstehen kann. Ich bitte jedoch darum, diesen einschneidenden Schritt zu respektieren. Es ist an der Zeit, wieder für mich selbst einzustehen und wieder die Balance zwischen Beruf, Wertschätzung und privaten Interessen zu finden.
In den 15 Jahren, in denen ich die Tour geleitet habe, ist eine Familie zusammengewachsen, die aus über einhundert Personen besteht, die ihr ganzes Herzblut gegeben haben, sowie aus unseren treuen
Sponsoren und Partnern. Darauf bin ich sehr stolz. So etwas ist in der heutigen Zeit einmalig und hat mich über all die Jahre für alle Entbehrungen entschädigt. Daher möchte ich ein herzliches Dankeschön an euch alle richten!
Danke, dass ihr uns über all die Jahre die Treue gehalten habt. Danke für euren selbstlosen und unermüdlichen Einsatz und danke, dass ihr die Tour zu dem gemacht habt, was sie war!
Ihr wart die LOTTO Thüringen Ladies Tour!
Eure Vera Hohlfeld
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