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Zum Tod von Dieter Cöllen (1953–2024) | Dieter Cöllen, 2023

Dieter Cöllen, 2023 (Foto: Dieter Cöllen)

Zum Tod von Dieter Cöllen (1953–2024)

Kunst, Kultur & Freizeit
06.09.2024, 12:55 Uhr
Von: Steven Ritter, KAG Altenburger Museen
Der Ruinenbaumeister

Die Altenburger Museen trauern um den Korkbildhauer Dieter Cöllen, der am 2. September 2024 völlig unerwartet in seiner Wahlheimat im südfranzösischen Périgord verstarb.

Dieter Cöllen stand dem Lindenau-Museum seit 2017 nahe, als er für eine Ausstellung über das antike Palmyra in Syrien sein Korkmodell des Baaltempels zur Verfügung gestellt hatte. Anlass für die akribische Rekonstruktion in Kork war die mutwillige Zerstörung des originalen Vorbilds durch den „Islamischen Staat“ im Syrischen Bürgerkrieg 2015 gewesen. Das maßstabsgetreue Modell wurde somit zu einem Mahnmal sinnloser Barbarei.

Anfang der 1990er-Jahre hatte der gelernte Bauzeichner begonnen, sich mit der nahezu vergessenen Korkbildnerei (Phelloplastik) zu beschäftigen. Ihren Höhepunkt erlebte diese Kunst im 18. Jahrhundert, als die beginnende Italienbegeisterung in vielen Reisenden den Wunsch entstehen ließ, ein Stück antikes Italien über die Alpen tragen zu können. Man begann Ruinen im Kleinen nachzubilden und verwendete dafür Korkrinde, deren „Ruinenoptik“ den idealen Werkstoff bildete. Dieter Cöllen eignete sich das außergewöhnliche Kunsthandwerk bis zur Perfektion an und kann als der einzige Phelloplastiker der Moderne gelten. Für seine Modelle nahm er nur die beste Korkrinde von portugiesischen Korkeichen, die Pigmente zur naturalistischen Farbgestaltung beschaffte er sich auf seinen Reisen nach Südfrankreich aus der Natur.

Cöllens Modelle finden sich in Museen und privaten Sammlungen in der ganzen Welt. Am prominentesten ist vielleicht der Model-Room des Sir John Soane’s Museums in London, wo Cöllen eine Partie des römischen Pompejis restaurierte und ergänzte. Sein Pharos von Alexandria war in der Kunsthalle Leoben und im MUCEM in Marseille zu sehen, die Tempel von Paestum in der New Yorker Carter Burdon Gallery. Seine Cheops-Pyramide ging sogar auf Welttournee. 2022 wurde Cöllen die Ehre zuteil, im Downing College der Universität Cambridge einen Vortrag zu halten. In der historischen Bibliothek des Passauer Jesuitenkollegs sind seit November 2023 eine Vielzahl von Korkmodellen von seiner Hand zu sehen.

Als einziger Spezialist seines Faches restaurierte Dieter Cöllen seit 2017 alle 15 historischen Korkmodelle aus den Sammlungen Bernhard August von Lindenaus. Dazu zählt auch das Korkmodell des römischen Kolosseums, das zu den am häufigsten für Sonderausstellungen angefragten Exponaten des Museums zählt. Im Oktober 2023 präsentierte Cöllen in der Herzoglichen Bibliothek des Schloss- und Spielkartenmuseums Altenburg eines seiner anspruchsvollsten Modelle, das römische Pantheon im Maßstab 1:100. Niemand unter den faszinierten Besucherinnen und Besuchern der Ausstellungseröffnung konnte ahnen, dass er einen der letzten öffentlichen Auftritte des Ruinenbaumeisters erlebte.

Cöllens letztes vollendetes Modell, die im Frühjahr 2024 fertiggestellte Tomba del Colle in Chiusi, eine etruskische Grabkammer, ist ein absolutes Unikat. Das Korkmodell, an dem auch seine Frau tatkräftig mitgearbeitet hat, wird ein ganz besonderes Highlight der etruskischen Sammlung des neuen Lindenau-Museums werden. Die tragische Ironie, dass sein letztes Modell ausgerechnet ein etruskisches Grab ist, hätte Cöllen mit Sicherheit gefallen.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Altenburger Museen erinnern sich voller Dankbarkeit an viele lehrreiche Begegnungen mit einem heiteren und kunstsinnigen Menschen, der viel zu früh aus seinen vielen Plänen gerissen wurde.

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