Das zeigten auch noch einmal die Dokumentationen an diesem Tag. Doch die, die diese Entwicklung angestoßen hatten, spielten bei den Reden an diesem Tag keine Rolle. Sie waren auch bei den Feierlichkeiten nicht dabei (wahrscheinlich gar nicht eingeladen oder bereits verstorben).
Schnell wurde aus der Euphorie Enttäuschung, weil H.Kohl und seine Ministerialen längst das Heft des Handelns an sich gerissen hatten.
Hier einige Aussagen von interviewten Bürgerrechtlern im Frühjahr 1990:
Friedrich Schorlemmer:
„ Der unselige 9. November hat uns die Kraft genommen, uns um unsere eigenen Angelegenheiten zu kümmern.“ Er befürchtet eine Restauration durch die Wahlen, befürchtet, dass es für die DDR-Bürger unmöglich werde, „die Erfahrung dieser 40 Jahre, auch der negativen, in ein neues Deutschland einzubringen, statt einfach nur eingekauft zu werden oder uns kaufen zu lassen. Der schöne Traum von einer Revolution ist schon vorbei.“
Tatjana Böhm:
„Dass es einen Herbst gab, ist für mich das Wichtigste. Dieser Herbst hatte noch nicht diese Aggressivität, sondern das Schöne, Kreative von Basisdemokratie.“
Christine Weiske:
„Dass wir wieder ein gesamtdeutsches Reich kriegen, das kapitalistisch geprägt ist, habe ich im Traum nicht gedacht.“
Gerd Poppe:
„Ich träume von einer Welt ohne Waffen und einer Welt ohne Grenzen.“ Als späterer Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung konnte er sehen, wie wenig sein Traum in Erfüllung ging.
Die Bürgerrechtler legten den Grundstein für die Demonstrationen. Erst als sie die Ersten organisierten, hat sich ein Teil der bis dahin schweigenden Mehrheit angeschlossen.
So wie diesen Bürgerrechtlern ging es vielen DDR- Bürgern, die nicht nur die Hoffnung auf eine wirkliche Demokratie, auf Meinungs- und Reisefreiheit hatten. Es gab ein großes Interesse an dem, was am Runden Tisch besprochen wurde. In vielen Diskussionen wurden Vorschläge von ganz normalen Menschen gemacht. Und sie wurden ernst genommen. Dieses zarte Pflänzchen der demokratischen Mitbestimmung wurde schnell überlagert von den Sorgen um den Arbeitsplatz, Wohneigentum und vieles mehr.
Ich bin keine Wissenschaftlerin, aber vielleicht liegt darin einer der Gründe für die unterschiedlichen Positionen zwischen Ost und West.
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